Ein Monatsrückblick
Seit Monaten ist es nun schon sehr still auf meinem Blog, denn ich brauchte Zeit für mich, Zeit, um einiges zu verarbeiten, Zeit, die dafür noch längst nicht ausgereicht hat. Mein letzter Beitrag war ein sehr trauriger, dieser wird es leider auch.
Die Trauer um unsere Lima und vorher ihr schwerer Krankheitsverlauf haben uns völlig aus der Bahn geworfen und es ist beängstigend, wie sehr unser Leben und wie sehr wir selber uns seitdem verändert haben. Natürlich gab es zwischendurch auch schöne Momente, doch die Trauer ist immer noch allgegenwärtig. Dennoch hatte ich mich wirklich auf den September gefreut. Ich liebe einfach den Herbst, die Luft, das Licht und hatte viele Pläne gemacht. Doch es sollte alles anders kommen....
In der Nacht zum vierten September, unserem letzten Urlaubswochenende, bekam Spike, nachdem tagsüber alles völlig normal und wie immer war, plötzlich einen krampfartigen Anfall. Sowas hatte er bis dato noch nie, weswegen wir komplett hilflos danebenstanden und uns schließlich kurz nach Mitternacht beim tierärztlichen Notdienst wiederfanden. Eine Untersuchung ergab nichts Auffälliges, Spike bekam Medikamente und wir fuhren wieder nach Hause.
Zwei Stunden später kam der nächste Anfall, der diesmal länger dauerte. Danach wollte Spike nur noch laufen, hatte einen extremen Bewegungsdrang und war nicht zu beruhigen. Also ging ich mit ihm raus. 15 Minuten später dann der dritte Anfall, bei dem ich weinend auf der Straße stand und meinen krampfenden und um sich tretenden Hund im Arm hielt. Danach wollte er wieder nur laufen. Sobald ich ihn auf den Arm nahm, schrie er los.
Bis 05.00 Uhr morgens waren wir abwechselnd mit ihm in Bewegung, dann kam er endlich zur Ruhe und schlief in eine Decke gewickelt neben mir ein. Tagsüber war er ziemlich erledigt, ging aber mit uns spazieren und fraß auch ein bisschen. Die folgende Nacht war ruhig.
Am 05. September bekam er morgens den vierten Anfall, woraufhin wir ihm sofort Medikamente verabreichten. Doch anscheinend war schon alles zu spät, denn vormittags kam der fünfte und heftigste Anfall, bei dem wir sofort wieder zum Tierarzt fuhren.
Spike war fast 16 und wenn ein Hund in diesem Alter plötzlich solche Anfälle, die er vorher nie hatte, bekommt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass da ein Tumor oder eine Blutung im Hirn ist, sehr hoch.
Ich hatte mir so sehr gewünscht, dass er irgendwann friedlich im Schlaf stirbt, doch das war ihm nicht vergönnt. Wir mussten noch beim Tierarzt eine Entscheidung treffen und mein Herz zerbrach, denn wir wussten, dass wir ihn gehen lassen mussten. Mein kleiner Spike, mein Seelenhund, der fast 16 Jahre lang an meiner Seite war, mit dem ich durch halb Europa gereist bin und die beste Zeit meines Lebens hatte, starb in meinen Armen. Direkt vor seinem Tod hatte er noch einen kurzen klaren Moment, in dem er sich verabschiedete, uns unsere Tränen vom Gesicht leckte und uns wissen ließ "Hej, es ist okay so." Dann machte er sich auf die letzte Reise. Zu seiner geliebten Lima.
Als Lima im April starb, waren wir alle in unserer Trauer gefangen, auch Spike. Gerade in den letzten Jahren waren die beiden extrem zusammen gewachsen und kuschelten sich ständig aneinander. Spike war dabei, als Lima starb, er konnte sich von ihr verabschieden und begriff, dass sie nun nicht mehr da war. Nach ihrem Tod baute er sehr ab, alterte schneller, fraß schlecht, war oft lustlos und nicht mehr so lebensfroh wie sonst. Er vermisste sie unglaublich, daher ist es eine schöne Vorstellung, dass die beiden nun wieder vereint sind.
Innerhalb von nur 4,5 Monaten zwei geliebte Familienmitglieder zu verlieren, ist unglaublich hart. Die Trauer ist allgegenwärtig, wir sind gestresst und angespannt, empfinden geradezu körperliche Schmerzen und streiten viel. Die Unbeschwertheit ist aus unserem Leben verschwunden, die Grundstimmung sehr gedrückt und immer mal wieder fragt man sich, ob man es allein jemals aus diesem dunklen Loch wieder heraus schafft. An sonnigen Tagen, an denen man mit viel Arbeit abgelenkt ist, ist man wieder zuversichtlich, doch dann kommen auch wieder die dunklen Tage, zu viel Freizeit, zu viele Gedanken und damit wieder eine Abwärtsspirale, die einen mit sich zieht. Es ist anstrengend und zermürbend und man kann es nur irgendwie aushalten und hoffen, dass es vorbei geht.
Anders als bei Lima war uns noch ein letzter schöner Urlaub mit Spike vergönnt und genau so wie auf dem Bild möchte ich ihn in Erinnerung behalten.
Meine Schwiegermutter gab uns letztens einen Zeitungsartikel "Wenn das Körbchen plötzlich leer ist". Darin geht es um diese unglaubliche Trauer, die Menschen nach dem Verlust eines geliebten Tieres empfinden. Leider wird das von vielen Leuten in dieser heutigen schnelllebigen und zunehmend egoistischer werdenden Welt immer noch belächelt. "Es war doch nur ein Hund." heißt es dann. Nein! Es war ein geliebtes Familienmitglied, zu dem man eine große emotionale Bindung hatte. Eine Bindung, wie sie zu Menschen kaum möglich ist. Diese Bindung ist nun gekappt und das ist fast unerträglich.
Dieses Jahr war bisher nicht gut zu uns und ist geprägt von Verlusten, Sorgen und Zukunftsängsten. Der Krieg in der Ukraine hat das aus den Angeln gehoben, was Corona vorher schon stetig gelockert hat. Corona, das mich im Juli dann übrigens auch noch erwischt hat.
Als wir Anfang September aus unserem Urlaub zurück kamen, war die Erholung gleich dahin, als wir den Brief von unserem Gasanbieter lasen: knapp 400,- Euro! Monatlich! Wie soll das funktionieren? Woher soll man das Geld nehmen, wenn der Lohn nicht hinterher kommt? Unser Pelletofen wird demnächst auch arbeitslos, denn der Preis für Pellets hat sich direkt mal verdreifacht. Zum Glück haben wir noch genug für einen Winter, danach werden wir aber wohl kaum nachkaufen, wenn der Preis nicht sinkt.
Vom Sprit gar nicht zu reden. Diese beängstigende Entwicklung trieb uns im August zu einer sehr traurigen Vernunftentscheidung: Wir haben unser geliebtes Reisemobil, unseren Toyota Hilux, verkauft. In diesem Auto steckte so viel Herzblut, denn der Göttergatte hatte es zu einem perfekten Offroader umgebaut und wir haben so viel damit erlebt. Aber 13 l Diesel sind einfach nicht mehr tragbar. Wir wissen nicht, wie sich das mit dem Diesel entwickelt und haben das Auto jetzt verkauft, bevor wir es vielleicht nächstes Jahr nicht mehr oder nur zu einem Preis weit unter Wert loswerden können. Als es abgeholt wurde, haben wir beide geweint, was den Käufer sichtlich irritiert hat.
Irgendwie bekommt man das Gefühl, dass die Welt und das Leben, in dem man sich bisher doch so aufgehoben fühlte, auseinander brechen. Nichts ist mehr wie es war und diese ganzen Veränderungen schlagen mir viel zu schnell hintereinander ein.
"Damit etwas Neues beginnen kann, muss etwas anderes enden" habe ich mal gelesen. In Sachen Reisemobilität trifft das zu, denn nachdem wir den Toyota schweren Herzens verkauft haben, haben wir uns einen kleinen Reisewohnwagen zugelegt. Einen wirklich kleinen! Ein Qek Junior, dieser Kult-Wohnwagen aus der ehemaligen DDR, 35 Jahre alt und in Originalzustand. Im Grunde genommen ist es nur ein überdachtes Bett mit einer Küchenzeile, aber für Roadtrips ideal. Der Kleine wiegt leer 340 kg und hat ein Höchstgewicht von 500 kg. Man könnte ihn theoretisch also auch hinter einen Smart hängen. Ich weiß, alles wird teurer bzw. kaum noch bezahlbar, aber dann kaufen die sich noch 'nen zweiten Wohnwagen? Ja! Denn wenn der Tag kommt, an dem ich nur noch für Energiekosten und Lebensmittel arbeiten gehe, werde ich meinem Chef die Kündigung auf den Tisch liegen und von da an zuhause bleiben. Der Qek ist also ein kleiner Lichtblick, den wir über den Winter ausbauen werden, damit wir dann nächstes Jahr zu dritt damit los können.
Zu dritt? - Ja, Ihr habt richtig gelesen. Im Juli machten wir uns solche Sorgen um Spike, dass wir beschlossen, wieder eine Galgo-Hündin aus dem Tierschutz zu adoptieren. Klein und zierlich sollte sie sein (Lima war mit ihren 70 cm Schulterhöhe für eine Hündin schon überdurchschnittlich groß) und möglichst jung.
Aber dann trafen wir Kingston! Der Göttergatte fand ihn im Netz und uns war beiden beim ersten Blick klar: "Der ist es!" Kingston ist ein kastrierter Rüde, bereits sechs Jahre alt und ein Riese mit 76 cm Schulterhöhe. Wir lernten uns kennen und wussten sofort, dass er bei uns einziehen würde. Kingston und Spike hatten noch 5 Wochen zusammen, bevor Spike sich auf seine letzte Reise machte und auch wenn sie natürlich nicht so dicke wie Spike und Lima waren, kamen sie gut miteinander aus und lagen oft zusammen im Körbchen.
Kingston ist gerade unglaublich wichtig für uns, denn ohne das Geräusch von Hundepfoten auf dem Laminat wäre das Haus schrecklich still. Gerade in der ersten Zeit nach Spikes Tod habe ich viel mit ihm geredet und in sein Fell geweint. Er bringt uns dazu, uns aufzuraffen, wenn wir uns am liebsten verkriechen würden und freut sich immerzu.
Von Anfang an haben wir gesagt "Den hat uns Lima geschickt", denn dieser Hund ist einfach zu gut, um wahr zu sein. Er findet alles toll, ist mit allem zufrieden, kann ohne Probleme allein bleiben, dekoriert nichts um, liebt Autofahren, knabbert nichts an, ist total verschmust und natürlich stubenrein, schläft nachts durch und hat sich als begeisterter Camper herausgestellt. Kurz: Der unkomplizierteste Hund, den ich jemals gesehen habe. Er geht sogar schwimmen, was für einen Windhund eher eine seltene Ausnahme ist. Nach nur sechs Wochen hatte er schon so eine enge Bindung an uns, dass wir ihn auf einer Wiese haben laufen lassen, was auch ohne Probleme ging.
Wir wissen über Kingston, der genau wie Lima aus Spanien stammt, dass er seine ersten fünf Jahre Deckrüde war (wir haben sogar noch einen Zuchteintrag von ihm im Netz gefunden). Gezüchtet wird natürlich nur mit den Besten, tja und da haben wir ein kleines Manko: Er war sicherlich ein ausgezeichneter Jäger, denn wenn wir mit ihm durch die Felder spazieren gehen, scannt er nonstop die Gegend nach etwas Jagdbarem ab. Dort werden wir ihn also vermutlich nie von der Leine lassen können.
Und Regen! Regen ist sein Endgegner. Er hasst Regen abgrundtief und muss dann tatkräftig überredet werden, überhaupt das Haus zu verlassen. Sobald ihn ein Tropfen am Kopf trifft, ist er nur noch mit Schütteln beschäftigt und hampelt von Hauseingang zu Hauseingang, um sich unterzustellen. Aber Schwimmen ist okay. Versteh einer diesen Hund....
Und falls sich jetzt jemand fragt: "Was ist mit Büchern?" - Nach Limas Tod war es damit erstmal vorbei. Obwohl ich es immer wieder versucht habe, konnte mich nichts erreichen. Die Konzentration war allerdings auch nicht die beste, die Gedanken schweiften immer wieder ab. Über den Sommer habe ich dann doch wieder gelesen und auch einige Bücher beendet, von denen mir allerdings nicht allzu viele in Erinnerung geblieben sind.
Erst zum Herbstanfang hin war ich wieder in meiner alten Leseform und finde nun wieder die nötige Ablenkung zwischen den Seiten, kann wieder abtauchen und alles um mich herum vergessen.
Arbeitstechnisch gab es fast eine große Veränderung: Im August hatte ich mal wieder die Nase voll davon, jeden Tag 45 km zur Arbeit hin und anschließend 45 km wieder zurück zu fahren und habe mich kurzerhand online hier vor Ort beworben. Nach einer Stunde hatte ich einen Termin zum Vorstellungsgespräch zwei Tage später, wiederum drei Tage später war ich ein paar Stunden probearbeiten. Nachdem der Chef mir beim Bewerbungsgespräch alles in den buntesten Farben ausgemalt hatte, wurde dann allerdings beim Probearbeiten klar, dass ich hier weitaus mehr Arbeit für weitaus weniger Geld leisten müsste. Insofern sitze ich doch lieber täglich 1,5 Stunden im Auto. Man hatte tatsächlich nach dem Probearbeiten fest mit meiner Zusage gerechnet, denn dort ist es so wie wohl fast überall: Personalknappheit. Die Leute gehen seit Wochen auf dem Zahnfleisch.
Diese Personalknappheit hat uns nun auch erreicht. Seit September fehlen bei uns auf der Arbeit 1,5 Stellen. Das heißt, dass etwa 200 Stunden im Monat von uns Übriggebliebenen, von Aushilfen und von Azubis aufgefangen werden müssen. Wenn dann noch einer krank wird, ist die Katastrophe vorprogrammiert. Ich muss allerdings ganz ehrlich sagen, dass mir das viele Arbeiten im Moment gut tut, denn es lenkt mich ab.
Nachdem die letzten sehr arbeitsintensiven Tage also eigentlich ganz okay waren, hat mich die Trauer heute, an meinem freien Tag, wieder richtig im Klammergriff. Die Tränen laufen und laufen und es wird einfach nicht besser. Das hat mich dazu gebracht, mir hier einfach mal alles von der Seele zu schreiben. Vielleicht ist es ja ein bisschen wie ein symbolischer Abschluss für mich, was wünschenswert wäre. Denn ich bin einfach völlig erschöpft und verspannt und so müde.
Ich weiß nicht, was die nächste Zeit bringen wird, aber ich bin der Meinung, dass nun schon genug Negatives und Schreckliches passiert ist, dass es für mehrere Jahre reicht. Die Trauer wird mich vermutlich niemals ganz verlassen, aber ich hoffe, dass es irgendwann leichter wird und ich mich mit einem Lächeln an unsere beiden Knalltüten erinnern kann. Dass ich irgendwann wieder mit einer unbeschwerten und positiven Grundeinstellung durchs Leben gehe. Ich weiß es nicht. Aber die Zeit wird es mit sich bringen...