Eins gleich vorweg: Ein ebenso passender Titel für diesen Beitrag hätte sein können: Ist das Kunst oder wollt ihr mich veräppeln?
Oder: Ey, ihr wollt mich doch veräppeln?!!?
Oder: Um das nicht zu verstehen, muss man kein Kunstbanause sein.
Oder: Die spinnen, die "Künstler"!
Aber lest und guckt selbst.....
Ja, ich weiß! Kunst ist ein sehr dehnbarer Begriff. Was vor 100 Jahren ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre, ist heutzutage anscheinend kein Problem mehr - nämlich, dass man so ziemlich alles
als Kunst bezeichnen kann, wenn man es bzw. sich einfach nur gut verkauft. Ein wenig geschwollen und schlau daherreden (am besten so, dass der Zuhörer schon nach dem ersten Satz nicht mehr weiß,
worum es eigentlich geht) und zack! ...schon denken die Leute "Boah! Künstler!".
Na ja, nicht alle. Ich zum Beispiel nicht. Ich meine, jetzt mal ehrlich: Für mich ist Kunst ein gekonnt gemaltes Bild oder eine ansprechende Skulptur. Caravaggio beispielsweise war für mich ein
Künstler. Michelangelo und Dürer. Dalí ebenso (wenn auch etwas durchgeknallt). Picasso nur bedingt, denn mit einigen seiner Werke tue ich mich ebenso schwer wie mit denen von Miro. Aber die mag
ich auch einfach nicht.
Während die Kunst vor Jahrhunderten noch überschaubar war, kommen nun immer mehr Dinge hinzu, die bei mir ein Stirnrunzeln hervorrufen. Installationen und Performances zum Beispiel. Für mich ist
es nämlich definitiv KEINE Kunst, über Berlin eine tote Kuh aus einem Helikopter zu schmeissen. Erstens: Unappetitlich. Zweitens: Was soll der Scheiß? Geschehen ist das Ganze 2001 und tatsächlich
war nicht jeder der Meinung, dass diese Aktion künstlerisch besonders wertvoll war.
Kommen wir nun aber zur Documenta. Die "weltweit wichtigste Ausstellung zeitgenössischer Kunst" findet alle fünf Jahre im nordhessischen Kassel statt. Bei der 13ten Auflage 2012 war ich kurz
zuvor erst in die Nähe von Kassel gezogen und dachte mir "Wenn Brad Pitt sich das ansieht, gucke ich da auch mal vorbei." Ernsthaft! Eines Tages tauchte der Brad tatsächlich einfach in Kassel auf
und die Nordhessen fielen vor Begeisterung reihenweise in Ohnmacht. Ich nicht, denn ich gehöre geografisch immer noch zu den Ostwestfalen - uns bringt so schnell nichts aus der Ruhe. Auch nicht
Brad Pitt.
Lange Rede - kurzer Sinn: Nachdem ich teuer Eintritt gezahlt hatte, wurde mir bereits in der ersten halben Stunde Folgendes präsentiert :
- ein leerer Raum, in dem mehrere Lüftungen eingeschaltet waren!
- ein riesengroßer, leerer Raum, in dem lediglich unter einer Glasscheibe der Absagebrief eines zur Dokumenta eingeladenen "Künstlers" ausgestellt war!!
- zwei tote Fliegen unter Plexiglas!!!!
What the fuck???!!!! Und da soll man nicht anfangen, am menschlichen Verstand zu zweifeln?
Nun ging die Documenta dieses Jahr also in die 14te Auflage und da ich oft in Kassel bin, wollte ich mich mal wieder ein bisschen über diese komischen "Künstler" aufregen und habe mir die
Außenexponate, die meist sehr zentral gelegen und für umme (ostwestfälisch für "gratis") zu bestaunen sind, angesehen. Wenn man schon mal dort ist....
Los gings am Friedrichsplatz, benannt nach dem wunderhübschen und sehr alten Bau des Museums Friedericianum. Oder umgekehrt. Am Friedericianum prangt normalerweise in güldenen Lettern der Name
des Hauses. Normalerweise. Zur Dokumenta hatte da jemand neue Buchstaben angebracht, die, ohne dass da irgendwelche Leerzeichen beachtet wurden, den Sinn "Being safe is scary." ergaben.
Übersetzt: Es ist beängstigend, sicher zu sein. Oder: Man sollte sich nie zu sicher fühlen. Gut. Kann man sicherlich (kleines Wortspiel ...) auf die aktuelle Flüchtlingspolitik, auf die Lage am
Arbeitsmarkt oder auf den morgendlichen Toilettengang - kurz: auf jede Lebenslage anwenden. Aber was hat das Ganze mit Kunst zu tun? Da hat jemand ein paar Buchstaben hingepinnt. Toll. Ich habe
ein Cinematiclight zuhause, bei dem ich auch nach Lust und Laune die Buchstaben und Wörter wechsle (zur Zeit steht da übrigens "Drinks on the house"). Und? Werde ich deswegen zur Dokumenta
eingeladen? Nö! Höre ich deshalb Applaus? Wieder nö! Insofern ist das für mich auch keine Kunst.
Das sicherlich beeindruckendste Werk der Documenta stand mitten auf dem Friedrichsplatz, denn es hätte auch sonst nirgendwo hingepasst: Das Parthenon of Books sah nicht nur aus wie die
griechische Akropolis, sondern hatte auch noch genau deren Ausmasse. Säulen und Dach bestanden jedoch nur aus Gestellen, die mit tausenden von in Folie verpackten Büchern, die irgendwo auf der
Welt einmal verboten waren oder noch verboten sind, behängt waren. Sicherlich beeindruckend, irritiert hat mich allerdings, dass ich schon an der ersten Säule mindestens viermal Harry Potter und
diesen Biss-zum-Schlagmichtot-
Wenn man vom Friedrichsplatz in Richtung Karlsaue ging, kramte man zunächst erstmal unweigerlich sein Handy hervor - um die Feuerwehr zu rufen. Denn vom seitlichen Turm des Friedericianums
stiegen dichte Rauchwolken empor, die, wenn der Wind ungünstig stand, die komplette Straße in dichten Nebel hüllten. Sichtweite gleich Null - aber immerhin im Namen der Kunst. Denn dieses
Herumgequalme war ein Tribut an Athen, wo die Dokumenta zwei Monate zuvor eröffnet wurde. Wie oft nun in Kassel die Feuerwehr angerufen wurde und ob diese auch ausgerückt wäre, wenn es
tatsächlich gebrannt hätte? - Man weiß es nicht. Aber das Friedericianum wäre bestimmt sehr kunstvoll abgebrannt.
Was ich damit sagen will: Dieses Gequalme war in meinen Augen keine Kunst sondern absoluter Schwachsinn.
Hatte man nun die Straße sicher überquert, sah man von Weitem ein Gestell mit großen Rohren. Etwa 20 dürften es gewesen sein. Im Straßenbau mit Sicherheit ein alltäglicher Anblick, mitten in Kassel jedoch natürlich Kunst: "When we were exhaling" von Hiwa K. Wären die Rohre einfach nur Rohre gewesen, wäre nun natürlich eine äußerst abfällige Bemerkung von mir fällig. Der Erbauer hatte sich jedoch etwas hierbei gedacht und das runde Innenleben jeweils zu kleinen Zimmern umgebaut, die zudem äußerst gemütlich aussahen. Damit sollte auf die Not von Asylsuchenden aufmerksam gemacht werden, die bei ihrer Flucht in eben solchen Rohren schlafen und auf weltweit Millionen von Obdachlosen, die solche Rohre und Ähnliches ihr Heim nennen müssen. Allerdings aus der Not heraus und wohl kaum so komfortabel. Ursprünglich war sogar geplant, die Rohre nächteweise zu vermieten - die Stadt Kassel sagte zu dieser Idee jedoch ganz entschieden "Nein". Mein Fazit: Sehenswert!
Weiter ging es in Richtung Karlsaue, treppab zur Orangerie, vor der das nächste Kunstwerk stand: Die Blutmühle. Hierbei handelte es sich um eine hölzerne Konstruktion mit etlichen ineinander
übergreifenden Zahnrädern oberhalb und waagerechten Stangen unterhalb. Wenn man genug Kraft besaß, konnte man mit dem Anschieben der Stangen sicherlich die Zahnräder in Bewegung setzen, ich
bezweifle jedoch, dass ein Mensch allein das geschafft hätte.
Die Blutmühle war ein exakter Nachbau eines Geräts, mit denen die Ärmsten der Armen zu Kolonialzeiten Münzen prägen mussten. Ein Kunstwerk? - Nein. Für mich eher ein Museumsstück.
Ein wenig das Grün der Karlsaue genießend und im Rücken die wirklich schöne Orangerie, standen wir bald schon vor dem nächsten Exponat.
Und mein Mann so "Ah. Da kann jemand mit Holz."
Und ich so "Ähh. Ja."
Kurioserweise hiess der Künstler Holzapfel, das Kunstwerk war aus Holz, hiess "Trassen" und ähnelte einem Zaun nach einem Tornado. Aber zumindest ein paar Kinder, die in diesem Ding
herumkletterten, hatten ihren Spaß.
Was uns der Erschaffer damit sagen wollte? Ihm ging es um Grenzen, Grenzräume, Zwischenräume und Trennlinien, sowohl politisch als auch persönlich. Muss man deswegen aber so einen riesengroßen
Trümmer in die Landschaft stellen, der aussieht, wie ein völlig fehlkonstruiertes Fachwerk? Ich meine: Würdet Ihr Euch dieses Teil in den Garten stellen und Tag für Tag dran erfreuen? Also, ganz
ernsthaft...ich nicht.
Das Beste (und das meine ich jetzt bitterböse) kam jedoch zum Schluss: Ebenfalls in der Karlsaue und auf dem Rückweg zur Orangerie hätten wir dieses "Kunstwerk" fast übersehen, was vermutlich daran lag, dass es während unserer Hausumbau-Zeit bei uns im Garten ähnlich aussah. Man stelle sich vor: Eine etwa 70 cm breite und 30 Meter lange Schneise im Gras. Grasnabe weg, am Ende des ganzen Theaters ein Erdhügel, bisschen Flatterband an den Seiten, ein paar Blümchen, die aus der Erde sprießten (hierbei handelte es sich definitiv um eine handelsübliche Wildblumenmischung aus Baumarkt/Supermarkt, denn diese Blumen wuchsen nie im Leben von selber dort) - das war's...
Und genau da war für mich der Punkt erreicht, an dem ich dachte "Aber das Rosenwasser mit Chiasamen von der iranischen Streetfood-Bude war wirklich gut"....
In diesem Sinne....
Bis in fünf Jahren, du komische Kunstausstellung!
...und P.S. Ja, ich habe "Dokumenta" sowohl mit "k" als auch mit "c" geschrieben. Ernsthaft Leute, das ist KUNST!!!